Ausgewählte Publikationen
Felix Bohlen, Die Darstellung der Remonstration im Guoyu. Eine erzähltheoretische Untersuchung (Veröffentlichungen des Ostasien-Instituts der Ruhr-Universität, Bochum 72), Wiesbaden 2023.
Dissertation des Wissenschaftlichen Mitarbeiters des Teilprojekts 16.
Im chinesischen Altertum (ca. 1200–221 v. Chr.) gab es eine ausgeprägte Kultur der politischen Kritik. Insbesondere die Remonstration (chin. jian 諫) war bereits damals eine etablierte Praxis, mithilfe derer Minister Einspruch gegen die Regierungsführung ihrer Fürsten erhoben. Antikchinesische Anekdotensammlungen wie das Guoyu 國語 (Gespräche aus den Ländern) versprechen dem Anschein nach einen authentischen Einblick in diese Praxis der Herrscherkritik. Doch inwiefern handelt es sich bei den überlieferten Erzählungen um historisch glaubwürdige, faktengetreue Darstellungen der Vergangenheit? Kann den im Guoyu überlieferten Erzählungen über Remonstrationen uneingeschränkt Glauben geschenkt werden? Dieser Frage geht Felix Bohlen in seiner Studie nach. Dazu greift er auf die moderne Erzähltheorie zurück, um die literarische Darstellung der Remonstration im Guoyu zu untersuchen und ihre Konstruiertheit herauszustellen. Seine Studie leistet damit nicht nur einen Beitrag zum Verständnis von Herrscherkritik im frühen China, sondern führt zu einer Neubestimmung des Quellenwertes antikchinesischer Erzählungen.
Link zur Verlagsseite
Anna Kollatz (ed.), Mamluk Descendants. In search for the awlād al-nās (Mamluk Studies 29), Göttingen 2022.
Research on the Mamluk period has so far remained relatively silent about the Mamluk descendants, who are often referred to by the Arabic term awlād al-nās (roughly: children of the elite). After Ulrich Haarmann’s fundamental theses, research on this group seems to have paused, in comparison to the study dedicated to other social groups of Mamluk society. This volume brings together the results of an international conference and presents the state of the art in approaching the Mamluk descendants, whose emic perception as a group and social roles were far more differentiated and variable than previously assumed. The contributions shed light on the status of the Mamluk descendants from a variety of viewpoints, including historiographies, archival material, and artifacts produced by Mamluk descendants.
Anna Kollatz, A Window to the Past? Tracing Ibn Iyās’s Narrative Ways of Worldmaking (Mamluk Studies 27), Göttingen 2022.
The only Arabic voice to have witnessed the Ottoman conquest of Cairo, Ibn Iyās is an eminent historical source for the late Mamluk period. This book is the first to take stock of the author's complete works, approaching him through an examination of his narrative voice and writing strategies. Tracing Ibn Iyās's working process by compilation analysis, it shows how the author adapted his representations of Egyptian history to his writing projects and audience. Ibn Iyās's ways of worldmaking are shaped deeply by beliefs, biases and intellectual trends as well as the impact of the social and historical context the author wrote in. Knowing these conditioning factors allows to understand his presentation of history as an individual voice from his time.
Matthias Becher (ed.), Die mittelalterliche Thronfolge im europäischen Vergleich (Vorträge und Forschungen 84), Ostfildern 2017.
In den letzten Jahren hat sich auch der Blick auf das Mittelalter insgesamt gewandelt. Das europäische Mittelalter wird nicht mehr einfach nur als Vorgeschichte der Moderne begriffen, sondern als ganz eigenständige Epoche. In diesem Sinne kann man von einer anthropologischen Wende der Mediävistik sprechen, die sich auch nachhaltig auf die Themen der Verfassungsgeschichte ausgewirkt hat. Die Forschung konzentriert sich auf die personalen Beziehungen zwischen den verschiedenen Herrschaftsträgern, doch bleibt die Frage umstritten, bis zu welchem Grad man in dieser Zeit bereits zwischen der öffentlichen Funktion des Königs als überzeitlichem Repräsentanten des Gemeinwesens und seiner Eigenschaft als sterblicher Mensch zu unterscheiden wusste.
Ein für die Verfassung mittelalterlicher Reiche zentraler Aspekt ist die Thronfolge, deren Dimensionen im vorliegenden Band vergleichend untersucht werden: die Rolle der Königin, die Funktion der Herrschersakralität oder das Phänomen strittiger Thronfolgen.
Matthias Becher/Harald Wolter-von dem Knesebeck (edd.), Die Königserhebung Friedrichs des Schönen im Jahr 1314: Krönung, Krieg und Kompromiss, Köln/Weimar/Wien 2017.
Die Krönung des Habsburgers Friedrich des Schönen im Bonner Münster am 25. November 1314 prägte das römisch-deutsche Königtum nachhaltig, da am gleichen Tag sein Vetter Ludwig der Bayer in Aachen zum König erhoben wurde. In der Folgezeit bekriegten sich beide Herrscher, gelangten aber nach mehr als zehn Jahren zu einem bemerkenswerten Kompromiss und übten die Herrschaft im Rahmen eines Doppelkönigtums gemeinsam aus. Der Band nimmt einen Perspektivenwechsel vor: weg von dem erfolgreicheren und daher intensiver erforschten Ludwig dem Bayern hin zu Friedrich dem Schönen; thematisiert werden neue Aspekte seiner Reichs- und Hausmachtpolitik sowie von Recht, Kultur und Kunst seiner Zeit, die auf einer interdisziplinären Tagung in Bonn anlässlich seines Krönungsjubiläums diskutiert wurden.
Stephan Conermann (ed.), Sklaverei in der Vormoderne. Beispiele aus außereuropäischen Gesellschaften [= Dhau. Jahrbuch für außereuropäische Geschichte 2 (2017)], St. Ingbert 2017.
Dieser Band beschäftigt sich mit Formen von Sklaverei und asymmetrischen Abhängigkeitsverhältnissen in außereuropäischen vormodernen Gesellschaften. Die Eingrenzung auf Epochen, die zeitlich vor der Beeinflussung durch westliches Eingreifen liegen, das in kolonialen Ordnungen gipfelte, verspricht einen Zugriff auf emische Konzepte der jeweiligen Regionen, die noch nicht von kolonialen Konzeptionen überlagert wurden. Steht bei Anna Kollatz das mogulzeitliche Indien im Vordergrund, so konzentrieren sich Michael Zeuske auf China und Veruschka Wagner auf das Osmanische Reich. Antje Gunsenheimer untersucht das Phänomen der Sklaverei in der aztekischen Gesellschaft und Jeannine Bischoff befasst sich mit abhängigen Bauern in Tibet. Christian Grieshaber weist in einem didaktischen Beitrag auf die Potentiale des Themas der chinesischen Sklaverei im Geschichtsunterricht hin. Rezensionen wichtiger Neuerscheinungen beschließen den Band.
Stephan Conermann/Anna Kollatz (edd.), Macht bei Hofe. Narrative Darstellungen in ausgewählten Quellen. Ein interdisziplinärer Reader (Narratio Aliena? 11), Berlin 2020.
Dieser Band ist das Ergebnis einer mehr als zweijährigen Zusammenarbeit. Er verbindet die Beschäftigung mit dem Interaktionsraum Hof mit einer arbeitspraktischen Reflektion. Ein zentrales Anliegen des Bandes ist es, an einem thematisch eng gefassten Beispiel zu ergründen, wie transkulturell vergleichende Arbeit gelingen kann und den gemeinsamen Arbeitsprozess von der Themenfindung über die Erarbeitung einer gemeinsamen problembezogenen Methode bis zur Ergebnissicherung dokumentieren. Diese Betrachtungen erwachsen aus unserer gemeinsamen Beschäftigung mit Ausdrucksformen von Machtausübung und Einflussnahme auf die obersten Herrschaftsträger im Kontext des Interaktionsraumes Hof. Mit dieser transdisziplinär und transkulturell zweigleisigen Fragestellung will der Reader auch einen Austausch über Methoden interdisziplinärer Forschung anstoßen.
Linda Dohmen, Die Ursache allen Übels. Untersuchungen zu den Unzuchtsvorwürfen gegen die Gemahlinnen der Karolinger (Mittelalter-Forschungen 53), Sigmaringen 2017.
Gegen nicht weniger als fünf Gemahlinnen karolingischer Herrscher sind schwere Vorwürfe von Unzucht und Ehebruch überliefert. Die Tatsache, dass es sich bei den betroffenen Ehen um die des Herrschers handelte, über deren Integrität auf öffentlichen Versammlungen diskutiert wurde, zeigt bereits die politische Dimension der Konflikte.
In der vorliegenden Studie wird gezeigt, dass die Unzuchtsskandale konkret im Kontext von Nachfolgekrisen verstanden werden müssen, in denen sich die Ansprüche konkurrierender Gruppierungen auf politische Partizipation Bahn brechen. Der Körper der Königin erscheint dabei als Sinnbild für die Reinheit der Dynastie wie für die Ordnung des ganzen Reiches. Damit leistet die Untersuchung einen grundlegenden Beitrag zum Verständnis der Rolle der Königin innerhalb des sich in der Karolingerzeit manifestierenden Diskurses über Ehe und Herrschaft.
Paul Fahr, Remonstration als Institution. Ein Beitrag zum Herrschaftsverständnis im frühen chinesischen Kaiserreich (Veröffentlichungen des Ostasieninstituts der Ruhr-Universität Bochum 71), Wiesbaden 2021.
Das chinesische Kaiserreich zeichnete sich gegenüber anderen Herrschaftssystemen dadurch aus, dass die Möglichkeit zur direkten Kritik am Handeln des Monarchen fester Bestandteil seiner institutionellen Grundordnung war. Doch was ist in diesem Zusammenhang unter Kritik zu verstehen? Inwiefern handelte es sich bei dieser um eine Institution? Und in welcher Form hat diese Kritik in den historiographischen Quellen ihren Niederschlag gefunden?
Diesen Fragen spürt Paul Fahr mit Blick auf die frühe chinesische Kaiserzeit (insbesondere die Qin 秦- und Westliche Han 漢-Dynastie, 221 v. Chr. bis 6 n. Chr.) nach, indem er die sogenannte Praxis der Remonstration (chin. jian 諫) zum Ausgangspunkt der Untersuchung macht und nach ihrem Platz im Herrschaftsverständnis jener Epoche fragt. Schwerpunkte der Argumentation bilden in diesem Zusammenhang 1.) ein für die Forschung zum alten China anschlussfähiger, theoretisch reflektierter Institutionenbegriff, 2.) Struktur und Zweck der hanzeitlichen Geschichtsschreibung sowie 3.) die Erarbeitung und begriffliche Konkretisierung eines spezifischen Herrschaftsverständnisses, welches sich gewinnbringend in die transdisziplinäre Diskussion zu Macht und Herrschaft in vormodernen Monarchien einbringen lässt.
Nader Purnaqcheband/Florian Saalfeld (edd.), Aus den Tiefenschichten der Texte. Beiträge zur turko-iranischen Welt von der Islamisierung bis zur Gegenwart, Wiesbaden 2019.
Die Beiträge zu diesem Sammelband beleuchten anhand von Fallbeispielen verschiedene Aspekte der turko-iranischen Welt von der Islamisierung ab dem 7. Jahrhundert bis in die heutige Zeit. Im breiten geographischen Spektrum vom Bosporus über die Gazīra, Iran, Afghanistan und Zentralasien bis nach Indien und zu den Grenzgebieten Chinas widmen sich Einzelfallstudien aus historischer, philologischer, literaturwissenschaftlicher und ethnologischer Perspektive den Studien von Stadt-, Lokal- und Regionalgeschichte, verschiedenen Formen von Geschichtsschreibung und Fragen von Herrschaftslegitimation. Gemeinsam ist allen Beiträgen ein Bezug zu Forschungsraum und -interessen von Prof. Jürgen Paul, dem der Band anlässlich seines 70. Geburtstags gewidmet ist.
Ludwig Morenz/Gunnar Sperveslage, Römisches Kaisertum in ägyptischem Gewand. Vom Pharao-fashioning der Imperatoren Augustus, Domitian und Hadrian (Themenhefte aus dem Ägyptischen Museum Bonn 4), Berlin 2020.
Herrschaft und ihre Inszenierung sind ein komplexes Phänomen. Ausgehend von den Spuren dieser Inszenierung(en) kann auf dahinter liegende alte Realitäten, Intentionen und Institutionen rückgeschlossen werden. Wie inszenieren sich Herrscher kulturell, welche traditionellen Spielräume werden aufgegriffen, erweitert, neu geschaffen oder auch aufgegeben? Vielschichtige Kulturkontakte und einander überlagernde Traditionen wie zwischen Altägypten und Römischem Reich lassen herrschaftliche Inszenierung in einem komplexen Wechselspiel erkennen. Dem wird hier in vier Fallstudien nachgegangen: Für Augustus als Begründer des Principats, für Domitian und seine sakro-politischen Ansätze zum Dominat sowie für das Wechselwirken ägyptischer und römischer diplomatischer Sprache unter Hadrian.
Leseprobe
Ludwig Morenz, Vom Kennen und Können. Zur Mentalitäts- und Mediengeschichte des Mittleren Reiches im Horizont von Abydos (THOT 5), Berlin 2020.
Das Gebiet von Abydos war vom Vierten Jahrtausend an über Jahrtausende ein zentraler Ort der ägyptischen Kultur. Während es in der proto- und frühdynastischen Zeit als Hauptstadt und Residenznekropole diente, wurde es im ausgehenden Dritten und frühen Zweiten Jahrtausend v. Chr. zu einem neuartigen Sakrotop gestaltet. Die archaische Nekropole und insbesondere das Grab des Djer wurden als Grab des Gottes Osiris reinterpretiert, und mit spezifischem Bezug auf Osiris und Abydos wurde die für die ägyptische funeräre Kultur zentrale und so markante Vorstellung vom Totengericht geprägt. Im Blick auf diese Entwicklungen werden konkrete Stelen wie die des Abkau und des Irtisen philologisch und ikonographisch aufgearbeitet und kulturwissenschaftlich analysiert. In den konkreten Fallstudien wird die hohe kulturelle Dynamik des Kult- und Kulturzentrums Abydos in der XI. und frühen XII. Dynastie mit verschiedenen herausragenden Innovationen sichtbar gemacht.
Ludwig Morenz, Trauma und Therapie? Die Schöpfung der schönen Literatur als kulturpoetische Bewältigung des Königsmordes an Amenemhet I.? (Bonner Ägyptologische Beiträge 9), Berlin 2020.
In diesem Essay wird die Geschichte im Spiegel der Literatur und zugleich die Frage nach den historischen Bedingungen von schöner Literatur (md.w nfr.w) im frühen Zweiten Jahrtausend v. Chr. analysiert. Dabei wird der Königsmord an Amenemhet I. als ein zentrales Ereignis nicht nur von sozialer und königsideologischer, sondern auch von anscheinend umwälzender kulturpoetischer Bedeutung herausgearbeitet. Insbesondere wird die Frage nach dem Regizid als Trigger der schönen Literatur gestellt, multiperspektivisch untersucht und, jedenfalls in der Tendenz, positiv beantwortet.
Ludwig Morenz/Abdelmonem Said/Mohamed Abdelhay, Binnenkolonisation am Beginn des ägyptischen Staates. Eine Fallstudie zur Domäne des Königs SKORPION im späten Vierten Jahrtausend v. Chr. (KATARAKT. Assuaner Archäologische Arbeitspapiere 1), Berlin 2020.
Das Wadi el Malik nordöstlich von Assuan steht noch ganz am Anfang der archäologischen Erforschung. Neben zahlreichen Felsbildern markiert eine monumentale Felsinschrift aus dem 4. Jahrtausend v. Chr. hieroglyphisch-spezifisch die „Domäne des Horus-Königs Skorpion“. Damit handelt es sich um das globalgeschichtlich bei weitem älteste Ortsnamensschild der Welt. Zugleich wird uns der sozio-kulturelle Prozeß der Binnenkolonisation im Niltal im Horizont der Herausbildung des ägyptischen Staates einschließlich der medialen Inszenierung bereits etwas konkreter faßbar. Im ersten Band der neuen Reihe KATARAKT wird diese Inschrift mediengeschichtlich und kulturhistorisch kontextualisiert.
Andreas Rutz, Die Beschreibung des Raums. Territoriale Grenzziehungen im Heiligen Römischen Reich (Norm und Struktur. Studien zum sozialen Wandel in Mittelalter und Früher Neuzeit 47), Köln/Weimar/Wien 2018.
Diese Publikation setzt den Band MH 11 fort und enthält darüber hinaus Beiträge der Ringvorlesung "Geschlechterdimensionen von Macht und Herrschaft" sowie der Tagung des Spannungsfelds A.
Ein transkultureller Vergleich von Macht und Herrschaft eröffnet neue und umfassende Einblicke in das Funktionieren politischer Strukturen in Vergangenheit und Gegenwart. Die Berücksichtigung von Geschlechterdimensionen ist für ein umfassendes Verständnis unumgänglich. Dieser Band versammelt Beiträge unterschiedlicher Fächergruppen, die sich Fragestellungen zu Macht, Herrschaft und Geschlechterordnungen in der sogenannten Vormoderne widmen. Eheliche Beziehungen von Herrschenden oder Fragen nach der Funktion und Stabilität von Herrschaftssystemen werden ebenso unter die Lupe genommen wie das Patriarchat als überdauerndes Herrschaftssystem für sich. So bietet der Band sowohl konkrete Einzelfallstudien als auch theoretische Überlegungen zu Machtausübungen und Herrschaftsstrukturen und die kritische Überprüfung von Forschungsansätzen; er zeichnet so ein hochkomplexes, vielfältiges und teils auch widersprüchliches Bild, das aus vergangenen Macht- und Herrschaftskonfigurationen überliefert ist. In einer Zusammenfassung werden die Beiträge (unter Bezugnahme auf Band 11 der Schriftenreihe ‚Macht und Herrschaft‘) kritisch reflektiert, Ergebnisse zusammengeführt und Gedankengänge verknüpft, so dass sich ein Gesamtbild erschließt, das der transkulturellen Forschung von ‚Macht‘ und ‚Herrschaft‘ neue Richtungen weist und wertvolle Impulse gibt.
Florian Saalfeld, Ein schwarzer Dichter im Kitāb al-aġānī: Eine Analyse des ḏikr Nuṣaib wa-aḫbāruhu aus literarischer Perspektive (Bonner islamwissenschaftliche Hefte 41), Berlin 2017.
Mit dem Buch der Lieder (arab.: Kitāb al-aġānī), schuf Abū l-Faraǧ al-Iṣfahānī Mitte des zehnten Jahrhunderts ein monumentales Werk, das bis heute überdauert hat. Viele der darin überlieferten Geschichten sind noch immer Bestandteil des Repertoires der Geschichtenerzähler und Gedichtrezitatoren der arabischen Welt und erfreuen sich ungebrochener Beliebtheit, scheinen sie doch einen Einblick in das Leben im Umfeld der großen abbasidischen Kalifen zu geben. So galt Abū l-Faraǧs Werk auch in der Wissenschaft lange Zeit als sozialhistorische Quelle: Unzählige Studien nahmen darauf Bezug und konstruierten auf Grundlage der darin enthaltenen Geschichten ein problematisches Geschichtsbild, wurde dessen Textcharakter doch kaum Rechnung getragen. Bei genauerer Betrachtung scheint das eher als Sammlung von Liedern, Gedichten und Anekdoten konzipierte Werk jedoch vorwiegend anderen Zwecken als der Historiographie gedient zu haben. Die vorliegende Masterarbeit versteht das Kitāb al-aġānī als literarisches Werk und analysiert es auszugsweise. Sie zeigt, dass es die Überlieferung von Gedichten und das spannende Erzählen von Geschichten über deren Autoren sind, die das Werk ausmachen und die gleichermaßen dessen unreflektierte Nutzung als historische Quelle problematisch erscheinen lassen.
Konrad Vössing, Kaiser Domitian – Der Kampf um seine Nachfolge und um seine Göttlichkeit (Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste – Vorträge: Geisteswissenschaften 458), Paderborn 2020.
Das Urteil über Kaiser Domitian (81 - 96 n. Chr.) schwankt stark. Während man ihn früher den Quellen entsprechend als grausamen Tyrannen sah, der von seinen Untertanen göttliche Verehrung erzwang, versuchte die moderne Wissenschaft eine Ehrenrettung: Domitian als erfolgreicher Herrscher, dessen Bild von der missgünstigen Nachwelt verdüstert wurde. Die überlieferten heftigen Konflikte seiner letzten Jahre fügen sich hier jedoch nicht ein. Die vorliegende Studie stellt seine Bemühungen um Divinität in den Kontext der für die Herrschaftssicherung entscheidenden, aber prekären Nachfolgefrage; sie rekonstruiert seine (gescheiterte) Strategie, diesen Kampf mit dem um seine Göttlichkeit zu verbinden.
Theresa Wilke, Harṣa von Kaschmir. Ein Herrscherportrait aus dem mittelalterlichen Indien (Veröffentlichungen der Indologischen Kommission der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz 5), Wiesbaden 2019.
König Harṣa von Kaschmir (r. 1089–1101) wurde einst als vielversprechender Prinz von den Untertanen aus dem Kerker auf den Thron gehoben. Dort angekommen verlor er sich jedoch zunehmend im Ränkespiel der Höflinge, bis er schließlich zu einem verhassten Tyrannen wurde. Der einst beliebte, freigiebige König regierte am Ende grausam und beutete rücksichtslos seine Untertanen sowie die Tempel Kaschmirs aus, um seine Verschwendungssucht weiter finanzieren zu können. Aus Angst vor Verrat ließ er zudem zahlreiche Verwandte ermorden, doch jene, die ihn schließlich stürzen sollten, hatte er aus Reue über seine früheren Taten verschont.
Nahezu alles, was wir heute über König Harṣa wissen, erfahren wir aus der Rājataraṅgiṇī („Wellenstrom der Könige“), einem historiographischen Werk sanskritischer Dichtkunst des kaschmirischen Dichters Kalhaṇa. Dessen Vater war einer der Minister König Harṣas und vermutlich sind es seine Berichte, die die Grundlage für die Rājataraṅgiṇī bilden und die tiefen Einblicke in das höfische Leben jener Zeit ermöglicht haben. Dabei kommen politische Aspekte ebenso zur Sprache wie die familiären Hintergründe innerhalb einer Dynastie. Die Studie untersucht Harṣa daher auf der Grundlage der Darstellung Kalhaṇas, der angesichts dieses zutiefst widersprüchlichen Königs beständig zwischen Empathie und Abscheu schwankt.